Google-Fonts-Abmahnung: Post von Kilian Lenard und Martin Ismail
Wer sich um Websites kümmert, bekommt früher oder später auch mal Post vom Anwalt oder von einer Anwältin. In diesem Fall landete eine Abmahnung wegen Google Fonts von Kilian Lenard und Martin Ismail bei einem meiner Kunden. Kein Einzelfall – und ziemlich dreist.
Behauptet wird in dem Schreiben von Rechtsanwalt Kilian Lenard, „Google Fonts ist auf lhrer Webseite derart installiert, dass u.a. die IP-Adresse des Besuchers lhrer Webseite an Google in den USA weitergeleitet wird“. Dadurch werde das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Martin Ismail von der Interessensgemeinschaft Datenschutz (IG Datenschutz) verletzt.
Aufgelistet sind in dem Schreiben auch diverse Urteile zu Schmerzensgeldern wegen Datenschutzverstößen in Höhe von 100 bis 2.500 Euro. Für eine Zahlung von 170 Euro und „unverzügliche Beendigung des Verstoßes“ sei die Mandantschaft bereit, „die Sache auf sich beruhen zu lassen“.
170 Euro zahlen als vermeintlich einfachste Lösung
Nur 170 Euro? Klingt nach einem fairen Angebot im Vergleich zu den aufgelisteten Schmerzensgeldern: Nur eines davon liegt unter 300 Euro. Wie bei anderen Abmahnungen zu Websites dürften einige Website-Verantwortliche lieber einfach zahlen anstatt sich
a) anwaltlich beraten zu lassen,
b) sich zumindest online zu informieren oder
c) wenigstens die Abmahnung selbst genauer unter die Lupe zu nehmen.
Oft dürfte schon c) genügen; so wie in diesem Fall. Denn der vermeintliche Beweis spricht nicht gerade für den laut eigener Website „kompetenten Ansprechpartner für Datenschutz und IT-Recht“. In dem mitgesendeten Screenshot (offenbar mit Screenseal erstellt) ist nämlich keine wie auch immer installierte (!) Google Fonts zu erkennen, sondern lediglich ein Kommentar:
Auf der Website des Kunden werden tatsächlich Google Fonts verwendet. Sie werden aber beim Aufruf der Website nicht von Google- oder USA-Servern heruntergeladen, sondern sind lokal installiert. Damit entspricht die Verwendung der Google Fonts den Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).
Neue Abmahnwelle wegen Google Fonts?
Dass es sich nur um einen Kommentar und keine externe Google-Fonts-Einbindung handelt, sollte ein/e Anwalt/Anwältin für Datenschutz und IT-Recht eigentlich erkennen. Es sei denn, er/sie hat es besonders eilig. Etwa weil sehr viele Schreiben ähnlicher Art zu erledigen sind. Dafür spricht eine kurze Online-Recherche: Etliche Anwälte/Anwältinnen berichten von zahlreichen Schreiben dieser Art, die in den vergangenen Wochen bei ihren Mandant*innen eingegangen sind. In Kommentaren anderer Website-Administrator*innen ist zu lesen, dass auch in ihren Fällen zumindest erhebliche Zweifel an den Behauptungen der Abmahn-Absender angebracht sind.
Rechtsanwalt Matthias Lederer hat dankenswerterweise eine ausführliche rechtliche Einschätzung zur „Abmahnung“ von Kilian Lenard und Martin Ismail veröffentlicht. Darin wirft er die Frage auf, ob es sich um einen Rechtsmissbrauch handeln könnte (Stichwort Abmahnwelle) und wie Website-Betreiber*innen auf solchen Schreiben reagieren können.
Abmahnungen vermeiden: Datenschutz beachten
In diesem Fall scheinen zumindest einige Abmahnungen hinfällig zu sein. Dennoch darf hier der Hinweis nicht fehlen, dass es auf vielen Websites noch verschiedene berechtigte Gründe für Abmahnungen gibt. Die Klassiker neben noch immer nicht lokal eingebundenen Google Fonts:
- fehlendes Cookie-Einverständnis für Einbindungen von Youtube, Google Maps, Facebook, Twitter etc.
- unvollständige/s oder fehlende/s Impressum und Datenschutzerklärung
- fehlender Link zu Impressum und Datenschutz auf allen Seiten (auch mobil sichtbar)
Eine erste grobe Prüfung ist direkt online mit Tools wie diesem Website-Scanner von eRecht24 möglich. Wer WordPress nutzt und administrative Unterstützung braucht, kann sich gerne an mich wenden. Für rechtliche Fragen bitte direkt an eine/n tatsächlich kompetente/n Anwalt/Anwältin, der/die noch nicht durch dreiste Abmahnungen aufgefallen ist.
Update 21. Dezember 2022: Post vom Staat
Nach der Abmahnwelle wegen Google Fonts hat es nun Durchsuchungen der Polizei gegeben. Laut Pressemitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin geht es dabei um mindestens 2.418 Fälle. Der Staatsanwaltschaft Berlin liegen demnach 420 Anzeigen vor. Aus Kontounterlagen der Beschuldigten gehe zudem hervor, dass etwa 2.000 Personen das „Vergleichsangebot“ angenommen und gezahlt haben.